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Elektronische Sehhilfen

Elektronische Sehhilfen

Wenn das Sehvermögen stark eingeschränkt ist und durch eine Brille oder Kontaktlinsen nicht mehr korrigiert werden kann, gehen oft grundlegende Kompetenzen des Alltags verloren.
Nach Angaben des „Kuratoriums Gutes Sehen“ (KGS) sieht jede fünfte Person über 70 Jahre so schlecht, dass sie mit einer Standardbrille nicht mehr zurechtkommt. Fehlende Sehkraft bedeutet aber, dass die Möglichkeit zur Teilhabe am sozialen Leben fehlt, der Aktionsradius schrumpft. Heute gibt es jedoch viele Möglichkeiten, die vorhandene Restsehschärfe optimal zu nutzen. Helfen können hier spezielle optische oder optoelektronische Vergrößerungsgeräte. Die Bandbreite reicht von Lösungen im privaten Umfeld bis hin zur Möglichkeit für jüngere Betroffene, auch den Arbeitsplatz neu zu gestalten.

Elektronisch vergrößernde Sehhilfen

Neben den optischen Sehhilfen gibt zahlreiche elektronisch vergrößernde Hilfsmittel. Der Vorteil dieser Geräte ist, dass sie den Kontrast verstärken und dass die Vergrößerung den aktuellen Anforderungen des sehbeeinträchtigten Menschen angepasst werden kann.

Zum Bereich der elektronischen Hilfsmittel zählen:
  • Standgeräte
  • Handgeführte elektronische Lupen
  • Vorlesegeräte
Vorteile von elektronischen Sehhilfen
  • Es kann eine hohe Vergrößerung erzielt werden.
  • Der Kontrast kann durch die geeignete Wahl der Bildschirmdarstellung verbessert werden.
  • Es besteht die Möglichkeit, zwischen positivem und negativem Kontrast zu wechseln.
  • Das Lesen ist in einer ergonomischen Haltung möglich.
  • Die binokulare Versorgung ist auch bei sehr hoher Vergrößerung gewährleistet.

Elektronische vergrößernde Sehhilfen ermöglichen enorme Vergrößerungen von 30-fach und mehr. Der bei diesen Vergrößerungen dargestellte Ausschnitt aus einer Zeitung wird allerdings extrem klein. Oft sind nur noch wenige oder kleinere Worte auf dem Bildschirm zu sehen, längere Worte finden schon keinen Platz mehr.
Um die geschilderten Schwierigkeiten bei hohen Vergrößerungen zu umgehen, sollten elektronische vergrößernde Sehhilfen schon bei einem moderaten Vergrößerungsbedarf eingesetzt werden. Ein 6-facher bis 12-facher Vergrößerungsbedarf stellt erfahrungsgemäß einen idealen Einstieg in den Gebrauch dar. Wenn im Krankheitsverlauf der Visus abnimmt, meistens geschieht das relativ langsam, kann der/die Betroffene nach und nach die Vergrößerung steigern, um weiterhin lesen zu können. Die Person kann sich so erfolgreich über einen längeren Zeitraum an die vermehrten Schwierigkeiten der hohen Vergrößerung gewöhnen.
Bildschirmlesegeräte
Das am häufigsten benutzte und bekannteste elektronisch vergrößernde Hilfsmittel ist das Bildschirmlesegerät. Eine fest installierte Kamera bildet z. B. einen Zeitungsausschnitt auf dem Bildschirm ab. Die gewünschte bzw. notwendige Vergrößerung kann nach Bedarf eingestellt werden. Das Lesegut wird unter der Kamera so bewegt, dass auf dem Bildschirm der vergrößerte Ausschnitt gelesen werden kann. Kamera, Monitor und Kreuztisch, auf dem das Lesegut sicher unter der Kamera bewegt werden kann, sind meistens zu einer kompakten Einheit zusammengefasst. Die wichtigste Eigenschaft eines Bildschirmlesegerätes ist die Kontrastverstärkung, die mit Hilfe elektronischer Schaltungen verwirklicht werden kann.

Vorteil der Bildschirmlesegeräte
  • Bildschirmlesegeräte sind besonders vorteilhaft bei eingeschränktem Kontrastsehen und beim Bedarf nach hohen Vergrößerungen.
  • Eine auf die Distanz Auge zu Bildschirm eingestellte Nahkorrektur ist zum Lesen am Bildschirmlesegerät besonders hilfreich, nicht nur nach einer Katarakt-OP.
Einsatzgebiete von Bildschirmlesegeräten
Bildschirmlesegeräte nehmen mit einer Kamera Texte und Bilder auf und geben diese unmittelbar vergrößert auf einem Monitor wieder. Dabei kann die Größe des dargestellten Bildes auf dem Monitor in einem weiten Bereich (Abbildungsmaßstab) variiert werden. Zusätzlich können bei elektronischen Bildschirmlesegeräten, im Gegensatz zu optisch vergrößernden Sehhilfen, die Kontrastdarstellung, die Helligkeit und die Farben von Text und Hintergrund verändert werden.
Bildschirmlesegeräte sind zudem zum Lesen längerer Texte in Zeitungen, Zeitschriften oder Büchern sowie zum Schreiben oder Ausfüllen von Formularen geeignet. Die meisten Bildschirmlesegeräte stehen fest auf einem Tisch. Zum Lesen wird ein Text auf einem zum Gerät gehörenden, beweglichen Tisch (Kreuztisch) unter der Kamera verschoben. Der Kreuztisch kann in seiner Beweglichkeit gehemmt werden. Das bringt zusätzliche Sicherheit beim Lesen, Schreiben und bei anderen Anwendungen.
Die Bedienung des Gerätes lernen die meisten Nutzer sehr schnell. Geübte Anwender/innen arbeiten mit einem Bildschirmlesegerät in einem für sehtüchtige Menschen hohen Tempo. Die Scharfstellung der Kamera erfolgt meist automatisch über einen Autofokus. Die Bildgrößen an Bildschirmlesegeräten können im Bereich von ca. 1,9-fach bis über 70-fach verändert werden. Dabei ermöglicht eine kleinere Darstellung einen besseren Überblick, während zum Lesen oder Betrachten von Details die Vergrößerung üblicherweise erhöht wird. Aber auch hier gilt: Je höher die Vergrößerung gewählt wird, desto kleiner ist der Ausschnitt aus dem Original, der vergrößert dargestellt wird. Eine hohe Vergrößerung unterstützt das Lesen kaum, wenn nur noch wenige Buchstaben dargestellt werden können.
Die Anpassung eines Bildschirmlesegerätes
Die sehbeeinträchtigte Person sitzt bequem vor dem Bildschirmlesegerät – so nahe, dass sie den Kreuztisch, auf dem das Lesegut liegt, sicher bewegen kann. Aus den Voruntersuchungen ist der Vergrößerungsbedarf für das z. B. Zeitunglesen bekannt. Die entsprechende Vergrößerung wird jetzt am Bildschirm eingestellt. Sie sollte mindestens 6-fach sein, was ungefähr einem Nahvisus von 0,2 oder weniger entspricht. Jetzt wird kontrolliert, ob das Lesen überhaupt möglich ist, was nach Ermittlung des Vergrößerungsbedarfs mit einer entsprechenden Leseprobentafel der Fall sein sollte. Es folgt die Optimierung der Vergrößerung und eine Überprüfung, ob sich eine Kontrastumkehr positiv auf den Seheindruck bzw. die Lesegeschwindigkeit auswirkt. Die angenehmste Einstellung wird beibehalten.

Zum Lesen muss die sehbeeinträchtigte Person den Kreuztisch mit dem darauf liegenden Lesegut unter der feststehenden Kamera von rechts nach links bewegen und so den laufenden Text auf dem Bildschirm verfolgen. Es ist völlig normal, wenn dies zunächst Mühe bereitet. Denn oft ist der Vergrößerungsbedarf so hoch, dass eine Zeitungsspalte nicht mehr auf dem Monitor abgebildet werden kann.

Um ein flüssiges Lesen zu erreichen, müssen die optischen Eigenschaften des Bildschirmlesegerätes (Kontrast, Helligkeit, Farben und Vergrößerung) optimal nach den individuellen Anforderungen eingestellt werden. Wichtig ist dabei das Zusammenspiel aller Komponenten eines Bildschirmlesegerätes.
  1. Gewohnheitsgemäß liegen die Hände dort, wo gelesen wird, also an der Zeitung oder dem Buch. Die gewohnte Blickrichtung beim „normalen“ Lesen oder bei Tätigkeiten in der Nähe zeigt nach unten.
  2. Am Bildschirmlesegerät wird unten hantiert, d. h. am Kreuztisch mit der darauf liegenden Vorlage und oben wird gelesen – auf dem höher stehenden Monitor. Am Bildschirmlesegerät muss man geradeaus auf den Monitor schauen. Komfortable Geräte erlauben auch hier die Anpassung der Bildschirmpositionierung an die Ergonomie.
  3. Die Leserichtung auf dem Monitor ist wie gewohnt von links nach rechts, die Handbewegung am Kreuztisch dagegen von rechts nach links, während beim „normalen“ Lesen die Zeitung ruhig gehalten wird. Die vertraute Koordination ist also beeinträchtigt, im Grenzfall sogar gestört. Bei ausreichender Motivation des Sehbehinderten und einer kleinen Eingewöhnungsphase wird das Handling jedoch spielend erlernt.
    Die Nachbetreuung der – meist älteren – Menschen, an die ein Bildschirmlesegerät abgegeben wurde, ist immens wichtig. Wenn das Gerät längere Zeit nicht genutzt wurde, vergessen sie die Funktionen und müssen erneut eingewiesen werden.
Handgeführte elektronische Lupen
Elektronische Lupen sind kleine, mobil nutzbare Bildschirmlesegeräte und sehen aus wie Mobiltelefone. Sie verfügen über nahezu die gleichen Funktionen wie die klassischen Bildschirmlesegeräte, müssen jedoch über das Lesegut bewegt werden. Einschränkungen gibt es zudem in der Darstellungsgröße der Bilder und beim Überblick. Im Vergleich zum klassischen Bildschirmlesegerät sind die Displays deutlich kleiner (zwischen 3,5 Zoll und 7 Zoll).
Die Stromversorgung erfolgt bei elektronischen Lupen über einen Akku. Einige Modellvarianten erlauben das Schreiben unter dem Gerät, andere Geräte verfügen zudem über eine Fernlesefunktion, die eine vergrößerte Abbildung naher und ferner Objekte ermöglicht. Zudem können viele elektronische Lupen an ein Fernsehgerät angeschlossen werden.

Ein für Anwender/innen komfortabler Nutzen ist die Schnappschussfunktion. Diese ermöglicht es, ein oder mehrere Fotos, z.B. von einem Fahrplan, zu speichern und zu einem späteren Zeitpunkt erneut zu betrachten. So können auch schwer zugängliche Dinge aufgenommen, angesehen und zusätzlich vergrößert werden, z.B. Preisschilder über Kopf am Supermarktregal oder hoch hängende Fahrpläne.

Bei der Entscheidung zwischen Bildschirmlesegerät und elektronischer Lupe sollte beachtet werden, dass Letztere ein klassisches Bildschirmlesegerät nicht ersetzen kann. Ihr großer Vorteil liegt aber in der Handlichkeit und Mobilität.

Die Anpassung erfolgt wie bei einem Bildschirmlesegerät. Nach Ermittlung des Vergrößerungsbedarfs wird die entsprechende Vergrößerung an der elektronischen Lupe eingestellt. Mit einem entsprechenden Nahzusatz sollte der Sehbehinderte jetzt in der Lage sein, z. B. Zeitungen lesen zu können. Bei Kontrastproblemen kann aus unterschiedlichen Darstellmodi der angenehmste gewählt werden.
Kostenübernahme bzw. Beteiligung durch die gesetzlichen Krankenversicherungen
Eine Kostenübernahme bzw. Beteiligung an den Kosten für Bildschirmlesegeräte und elektronische Lupen durch die gesetzlichen Krankenversicherungen ist unter bestimmten Voraussetzungen möglich. Voraussetzung ist in der Regel eine benötigte Vergrößerung von 6-fach und eine Sehschärfe von 0,1 und geringer. Bei eingeschränktem Kontrastsehvermögen, gravierenden Gesichtsfeldausfällen oder einem Nystagmus (Augenzittern) sind diese Hilfsmittel schon früher verordnungsfähig. Für die Abwicklung ist ein Rezept vom Augenarzt erforderlich.